Der gute Amerikaner
Sie nennen ihn Radio

Um das Feld, auf dem Footballtrainer Harold Jones seine Mannschaft drillt, schleicht ein schwarzer Junge mit einem Einkaufswagen, der nichts sagt. Der ist behindert, aber Jones schafft es, ihn reinzuholen, ihm sein erstes Wort von den Lippen zu locken, Radio – so nennen sie ihn dann, bis heute, wo er in Anderson, der kleinen Stadt in South Carolina, ein echter Footballtrainer ist. Ehrlich, passiert wirklich, praktisch unglaublich, wo doch die meisten wahren Begebenheiten mit dem Tod enden, so etwas Ermutigendes: Ein kleiner Behinderter wird integriert, erst in die Sportmannschaft, dann in der Schule, und als alle ihn annehmen, schafft er es auch über den Tod der Mutter hinweg, seiner bis vor kurzem einzigen Ansprechsperson.
Diese irre Geschichte aus den 70ern hat den Regisseur Mike Tollin nicht mehr losgelassen, weil sie zweitens auch noch sein künstlerisches Lieblingsthema Sport berührt. Aber worum kann es in einem Film darüber gehen? Nun, es ist so: Die Bewohner des Städtchens Anderson sind skeptisch, wenn ihre Kinder mit einem Negeridioten spielen und auch uneinsichtig. Der Star der Mannschaft, Johnny Clay, hält es sogar, nachdem er strafexerzieren musste, nicht für falsch, Schwächere in Geräteschuppen einzusperren, und bis erst sein Vater, der Bankdirektor, versteht, dass Sport und Siegen wichtig sind, aber manchmal was anderes, hat Harold Jones einiges zu leisten, 109 Minuten lang zum Kopfschütteln.
In Amerika, da leben schon auch Menschen, dümmere halt als anderswo wegen des Systems oder des Fernsehens, das kann man tolerieren, solange keiner von denen wieder einen Krieg anzünden will. Kann schnell passieren, denn körperlich trainiert wären sie dafür ja schon auf dem Footballfeld.

START: 6. Mai 2004
 

Willibald Spatz
31. März 2004

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