Prinzip Hässlich
The Devil's Rejects

Es ist alles nur Inszenierung. Das ist wichtig. Rob Zombie, ein Musiker, der nie etwas dem Zufall überlassen hat, alles selbst komponiert und illustriert hat, was von ihm zu hören und zu sehen war, seine Kostüme, seine Booklets, seine Videos, dreht auch Filme. Den ersten, HAUS DER TAUSEND LEICHEN, wollte zuerst keiner so richtig haben. Als er schließlich nach einigem Hin und Her doch ins Kino kam, fand er sein spezielles Publikum, und deshalb steht der Regisseur nun mit der Fortsetzung in den Startlöchern. Es geht in THE DEVIL'S REJECTS wieder um die Familie Firefly, die aus irgendeinem Grund einen Riesenspaß daran hat, andere umzubringen und sich mit den Leichen ins Bett zu legen. Der Film startet mit einer Schießerei. Ein Sheriff will sich an der Familie für den Tod seines Bruders rächen und überfällt die Farm, in der sie ihr Unwesen treiben. Die Mutter wird gefangen genommen, zwei der Kinder können entkommen und versuchen nun, sich in einem Bordell-Motel sich mit ihrem Vater wieder zu vereinigen.
Das ist der Ausgangspunkt einer Verfolgungsjagd durch ein höllisch heißes Kalifornien, das ausschließlich aus Schmutz, Sonne und dreckigen Typen besteht. Die Kinder nehmen unschuldige Geiseln und ermorden die ohne Not, der Vater, der ein Clownsgesicht trägt, klaut Autos, und der Sheriff schlägt Frauen, besticht Zuhälter und heuert Gangster an, um seinem Ziel, der sadistischen Ausrottung der Fireflys, näher zu kommen.
Rob Zombie ist ständig auf der Suche nach dem Scheußlichen, in jeder Einstellung fährt die Kamera so lang umher, bis sie etwas Abstoßendes entdeckt. Sei es auf den unzähligen Großaufnahmen der Schauspieler-Gesichter, sei es in einem Hühnerkäfig eines Straßenhändlers: Es wird immer versucht, selbst das Banale hässlich zu zeigen. Einzig die Tochter Baby, gespielt von Rob Zombies Frau Sheri Moon, darf gut aussehen; schwülstig-erotisch zieht sie ihre Opfer an, damit ihr Bruder Otis, gespielt vom hoch-jesuesken Bill Moseley, ihnen das Messer in den Rücken hauen kann.
Natürlich funktioniert der Film so nicht. Die ununterbrochene Reihe der Brutalitäten ermüdet schnell. Die Hauptfiguren sind alles Arschlöcher, zu keinem möchte man helfen, jeder ist einem egal. Nebenfiguren werden nur eingeführt, um ein paar Minuten später aufgeschlitzt oder erschossen zu werden. Es passiert viel auf der Leinwand, aber im Prinzip geht einen nichts davon was an. Der Sheriff ist ein Fundamental-Christ, deswegen tauchen eine Menge religiöser Symbole auf, gegen Ende wird Bruder Otis sogar auf einen Stuhl genagelt wie seinerzeit Christus ans Kreuz. Und plötzlich wacht man wieder auf mit einer Beklemmung. Man glaubt nicht mehr, dass Rob Zombie nur mit seinen Versatzstücken spielt, sondern es in Wirklichkeit verdammt ernst meint. Natürlich lehnt sich dieser Film an das TEXAS CHAINSAW MASSACRE an, erzählt die Geschichte der Peiniger diesmal und nicht die der Opfer. Doch dort konnte man lachen, man sollte auch, hier ist nichts komisch. FUNNY GAMES war ein Film, der ebenfalls von unmotivierter Gewalt getrieben war und gehörig verstörte, doch es ging Michael Haneke immer darum, die Situation als ein filmisches Experiment zu zeigen. Bei THE DEVIL'S REJECT gibt es keine Distanz, es handelt sich hier nicht mehr um die Befriedigung eines ewigpubertären Provokationsdrangs für Fans, sondern um einen einzigen Ekelerguss über die durch die Hitze krank gewordene Menschheit. Unangenehm das zu sehen, aber es ist extrem aufrichtig. Rob Zombie, so scheint es, ist so böse wie die Figur geworden, die er jahrelang dargestellt hat in den Bildern, die er von sich herausgab. Die Inszenierung hat das echte Leben aufgefressen.
START: 1. Dezember 2005

Willibald Spatz
12. Oktober 2005

mehr Kritiken

artechock