Am rechten Fleck
Anke Late Night


Sie hat sich den Platz ja nur geliehen. Wenn er zurückkommt aus seinem Kreativurlaub, nimmt er ihn wieder ein, den des einzig intelligenten Humors im deutschen Fernsehen: Harald Schmidt war noch nie so gut wie jetzt, als er fehlt, sich ausruht, nie hatte er so wenig schwache Tage. Da tut sich Anke Engelke schwer, obwohl sie sich nicht anstrengen müsste, da lang keiner mit ihr rechnet, und ihr deshalb jeder nur das beste wünscht. Andrerseits wäre es Möglichkeit zur Chance. Den zweiten Sitz intelligenten Humors einzurichten. In Deutschland.
Der Druck lastet auf ihrer Schulter, und sie nimmt die Last wie ein verschmitzter Spitzbub. Hat Harald Schmidt auch nur eine Rolle gespielt, spielt er ihr ihre nun zu: Interviewt sie zwei Jugend-forscht-Gewinner nach einem Direktvergleich Thomas Gottschalks mit dem Papst an deren gemeinsamem Geburtstag, fragt sie: "War das jetzt unfair?", und ist sichtbar erleichtert, als die beiden sagen "Nein, passt schon." Das hat fast mehr Charme, als in der Kiste Raum findet.
Sobald sie sitzt, hat sie's. Die Standup-Nummern am Anfang wirken müde, bemüht unsicher, doch dann am Schreibtisch, wenn die Einspielungen laufen, da läuft's. Zunächst Interviews auf der Straße. Das ist zwar erstens Samstag Nacht und zweitens billig, wenn der gemeine Mann sich bei Fragen wie "Wer, meinen Sie, macht das Rennen bei Deutschland sucht den Bundespräsidenten?" und "Wie viel Punkte, glauben Sie, wird Österreich uns dabei geben?" blamiert, aber drittens halt einfach lustig. Dann die Nummer mit den Engelkes, sechs Frauen, die sie verkörpert und die zu den selben Fragen unqualifiziert Stellung nehmen. Sechs Figuren, die die Vielseitigkeit Anke Engelkes repräsentieren und deren Spitze die Sendung, egal wie lang sie nun im Kasten ist, überdauern wird.
Zuletzt die Gäste. Denen gibt sie das Gefühl, nicht angegriffen zu sein, sich ausbreiten zu dürfen. Wenn Klaus Wowereit das Wahlsystem zum Bundespräsidenten erklärt, fühlt er sich wohl, aber es gehört ihm auch der Saft abgedreht. Bei Harald Schmidt war es eine Herausforderung geladen zu sein, nie durfte der Gast langweilen, nie aber auch versuchen witzig zu sein. Bei Anke ist ihm beides erlaubt. Schwierig zu den Zeiten, schwierig im Fernsehen, wo vom Zuschauer nichts mehr verlangt wird, als anderen zuzuhören.
Aber auch das wird sie in den Griff bekommen, wird Kai Pflaume einen Schuh aus der ersten Reihe in die Hand drücken, nachdem der seine Leidenschaft fürs Schuhputzen gestanden hat, voran an der Geschlechterfront.
Soll sie ruhig bleiben, da ist sie am rechten Fleck. Den Pausanten werden sie auch wieder irgendwo unterbekommen, und uns wird möglich sein, was wir am besten können: Zappen zwischen den beiden Spaßgrößen.

Willibald Spatz
1. Juni 2004

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