Neue Zeit
Harald Schmidt zurück am 20. Januar 2005

Eine Stunde in der Woche, verteilt auf zwei halbe, das ist machbar. Das muss man verlangen können, zumal der Deutsche nach elf im Land nichts viel Besseres vorhat: Harald Schmidt ist sehbar geworden. Komplett, als Gesamtwerk, nach seinem Wechsel zur ARD. Er ist unausweichlich geworden, weil von jeder zweiten Medien-Seite ein Beben seinetwegen ausgeht, dass man fast Angst hat, zu klein zu sein für das, was da kommt, wenn man den Fernseher anmacht. Oder zu unausgeschlafen für den doppelbödigen Wortwitz, oder nicht mehr nüchtern genug für die brillanten Pointen.
Zur Erleichterung ist er ein ganz normaler Lustiger geblieben: Er wirft sich einen ARD-Schal um, macht Späße über die SPD, den FCB und den VfB, lässt sich als Doktor verkleidet von Andrack die Wanderung eines Nierensteins schildern, spielt ein Sketch-Video zum anstehenden Bush-Besuch in Deutschland ein. Er ist in Form und froh, bei den Öffentlich-Rechtlichen gelandet und nicht mehr beim "Unterschichten-Fernsehen" zu sein, nicht mehr erklären zu müssen, was ein Buch und eine CD ist. Was er dabei in die Kamera hält, ist von Adam Green, seinem Quasi-Gast, der am Ende vor dem Abspann ein Lied mit der Showband singt, damit beweist, dass er im Moment praktisch nichts machen kann, wofür sie ihn nicht loben werden. Denn die Welt ist anscheinend nervöser vor seinem nächsten Auftritt als er selbst. Da traut sich gar keiner mehr, enttäuscht zu sein. Damit sind sich Gast und -geber Parallelfiguren geworden.
Als Harald Schmidt an einem unsichtbaren Computer auf seinem Schreibtisch Zuseher-E-Mails abruft, den Schreibenden Fragen beantwortet und ihnen die Sketche vom Vortag erklärt, dann ist das vielleicht das, was Claus Peymann vor Schmidts letztem Abgang so toll an ihm fand: großes Theater. Im Fernsehen. Zwei Mal eine halbe Stunde in der Woche. Das geht. Ohne Aufregung.

Willibald Spatz
21. Januar 2005

mehr Kritiken