Der jagende Mensch - ein Museumsführer

Da die vereinigte Schützenschaft München urlaubs verlassen hat, ist man auf einen Besuch im "Deutschen Fischerei- und Jagdmuseum mitten im Herzen der Landeshauptstadt" angewiesen, um mehr über das Schießen hier zu erfahren. Aber es ist nicht nur ein Ausflug zur Bildung, sondern zur Wurzel des Menschseins. "Mit der zielbewußten Herstellung von Werkzeugen und Waffen gelang es den Urahnen der Menschen, die vor über Millionen Jahren lebten, die Schwelle zwischen tierischer und menschlicher Intelligenz zu überschreiten" steht auf einem Schild am Beginn und auf einem anderen "Die waffenführende Hand hat die Voraussetzung zur Jagd und die entscheidende Rolle bei der Menschwerdung gespielt. Nur der Homo sapiens" - also wir - "ist fähig, aufrecht zu gehen und so seine Hände für das Führen einer Waffe oder eines Werkzeugs freizuhalten. Diese Körperhaltung brachte auch eine Erweiterung des Gesichtsfelds und damit bessere Erfolge beim Aufspüren, Verfolgen und Überlisten des Wildes". Also auf gut Deutsch: Weniger ein Homo ludens, sondern eher ein Homo caedens ist der Mensch, wenn auch die Voraussetzung gespielt ist.
Bedeutende Evolutionsbiologen gehen davon aus, dass jedes Tier jeden seiner Konkurrenten töten würde, auch innerhalb seiner Art, nur hat es oft nicht die Fähigkeit dazu oder aber Angst, sich in einem letzten, verzweifelten Aufbäumen des Rivalen eine gefährliche Verletzung einzufangen. Ein bedeutender Anzeiger unserer Zivilisation ist also, dass wir nicht täglich jemanden umbringen, wo doch U-Bahnen und die unter anderem deswegen ausgestellten Gewehre und Sauspieße vergangener Jahrhunderte vorhanden wären.
Der menschgewordene Werkzeugbenutzer verändert seine Umwelt und darauf reagieren Raubtiere empfindlicher als auf Beutetierschwankungen mit Verschwinden. Deshalb muss der Jäger heute stellvertretend Dienst an der Natur tun und Beutetierpopulationen begrenzen. Kritiker wären davon zu überzeugen, aber es verirrt sich keiner in dieses Museum oder hat in einer Kunsthalle schon einer die Frage gestellt, ob sich das lohnt, die alten Bilder aufzuheben?
Eine Grafik neben den präparierten Gänsen zeigt, dass ihr Bestand in Skandinavien von 1946 bis 1980 so zugenommen hat, dass man fürchten muss, wenn man die Kurve im Kopf bis 2003 fortsetzt, die Menschen in Skandinavien konkurrieren jetzt ernsthaft um ihre Ressourcen mit Geflügel. Besser sieht es bei Enten aus, wobei die Populationsrate Ende der 70er Jahre deutlich über 100 tendierte. Was eine Populationsrate von 100 bedeutet, wüßte der Fachmann, fünf Jahre Biologie genügen nicht.
Ein Diorama enthält Wolpertinger. "Des ist für die Preisn". Ein anderer Betrachter, der sich durch sein Hochdeutsch verdächtig macht, bemerkt aber gleich: "Das sind die Tiere, die es nicht gibt." Es gibt sie zwar nicht, aber sie sind interessant gemacht - Fuchs mit Uhuschwingen und Gansfüßen et cetera.
Tafeln bei weiteren ausgestopften Tieren verraten: Bejagung des Hirschen "überwiegend durch Pirsch und Ansitz stärkerer Hirsche in der Brunftzeit; außerdem Drückjagd" oder beim Reh die Trophäe , die der erfolgreiche Schütze sich nimmt "das Geweih" oder beim Feldhasen "die Rammelzeit, wie sie der Jäger nennt, beginnt bei milder Witterung schon im Januar und wiederholt sich periodisch bis zum Oktober". Populationsrate.
Der Gang ein Stockwerk nach oben führt endgültig zur Wiege der Menschheit: Afrika. Der Safari Club International Bavaria Chapter (Internet: http://www.scibavaria.de) zeigt Böcke, die Mitglieder auf dem "dunklen Kontinent" geschossen haben. Hergerichtet hat sie "Hannes Wimmer, staatlich anerkannter Künstler, Pfarrkirchen/Nby". Aber vielleicht irrt hier der Staat, denn eigentlich ist ja die Natur die Künstlerin oder schreibt in der Kunsthalle einer, wer den Rahmen des Bildes gemacht hat?
Kunst. Der Maler Renato Casaro stellt "African Impressions" aus, die käuflich sind. Sie seien auch zu einem Drittel schon weg, viel schneller als die Pilzbilder der letzten Sonderausstellung, die zwar auch schön gewesen seien, "aber preislich da angefangen haben, wo Casaro aufhört: 4500 Euro". Dabei ist der Mann für die Plakate von "Der mit dem Wolf tanzt" und "Rambo I - III" verantwortlich. Noch bis Ende September sind hier zu sehen unter anderen: "No Trouble No Food (Löwe/Antilope)", "Don't touch my baby (Elefantin)" und "Old Fellows (Löwe/Baum)". Ob die dargestellten Tiere ebenfalls für die Preisn den Titeln in Klammern beigefügt wurden, weiß ich nicht.
Der dritte Teil widmet sich dem Schmuck des Kontinents da drunten, zum Teil echtes Elfenbein. Dabei liegt der Prospekt der Tegernseer Goldschmiede Adolf Bertele GmbH: "Unser goldschmiedisches Können und das Gespür für jede Trophäe machen aus Ihrer Safari eine bleibende Erinnerung. Bringen Sie Ihre 'Schätze der Jagd' zu uns, denn als Jäger wissen wir Ihre Trophäen zu schätzen, als wären sie unsere eigenen. Auf Ihren Besuch freuen wir uns!" Die werden bald eine Freude haben, wenn die Münchener Schützenvereine aus ihrem Urlaub zurück sind.
Am Schluss frage ich mich, ob man nicht einfach noch mal von vorne anfangen kann: Nur Mensch mit Waffe in der Hand. Das wär's!
 

Willibald Spatz

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