Politisch einwandfrei
Eternal Vacation vom Freien Theater München

Folgendes: Erstens, dieser Krieg, letztes Jahr im Irak, ging gar nicht um die Menschen, sondern nur um Öl. Zweitens, der amerikanische Präsident George W. Bush ist ein Verbrecher. Drittens, Unschuldige, jawohl auch Frauen und Kinder, starben oder wurden zumindest verstümmelt, beide Arme.
Dieser Wahrheiten hat sich das Freie Theater München in seiner jüngsten Produktion Eternal Vacation angenommen. Das Freie Theater München ist eine engagierte Gruppe, die seit 30 Jahren existieren und die sich um den Regisseur George Froscher und den Schauspieler Kurt Bildstein konzentriert. Engagiert heißt nicht nur politisch, sondern auch theatral. Mit Formen zu spielen und zu brechen, den Raum mit jeder Szene neu zu entdecken. Die Zuschauer betreten einen dunklen Raum, in der Mitte ein Mann in einer Unterhose, der in Zeitlupe laufen simuliert. Am Rand stehen Schauspieler, die kleine Lampen am Kopf haben. Einer beginnt zu sprechen und das Publikum wendet sich ihm zu. Es entsteht eine Bewegung, die Teil der Vorstellung ist, eine Unruhe und gespannte Aufmerksamkeit, schließlich könnte der Nächste etwas machen, das dazu gehört und dann übersehen für immer verpasst ist.
Wieder ist alles dunkel. Eine Stimme ist zu hören. Licht geht an. Ein Mann spaziert durchs Publikum, spricht einzelne an. Er hat ein Microport. Zwar ist er ständig zwischen den Menschen unterwegs, verschwindet teilweise aus dem Blick, aber seine Stimme ist präsent. Immer überall gleich.
Das Stück ist eine Collage aus Texten von unter anderen Elfriede Jelinek, Thomas Brasch und Interview- und Nachrichtenbruchstücken aus dem Internet und der Presse. Die Umsetzung ist meist originell und intelligent. Ein Mann verführt im Fünfminutentakt Frauen. Die pornografischen Dialoge werden in der Mitte von Schauspielern auf einem Lichtstreifen ausgetragen. An der Seite zeigen Videofilme eine Razzia amerikanischer Soldaten im Irak, weinende Mütter, in Unterhosen abgeführte Söhne, schlafende Kinder. Die Zuschauer bleiben verloren verteilt. Das fährt unter die Haut.
Irgendwann sitzen die Zuschauer doch auf Stühlen. Es gibt eine Szene, ein Interview eigentlich, bei der nur der Mund des Fragenden auf eine Leinwand projiziert wird, zwei Frauen stehen davor und antworten chorisch. Ein bizarres Bild ist dieser bei den Antworten angehaltene Riesenmund im Hintergrund, aber wieder ist nur die Rede von dem Unrecht das damals vor einem Jahr passiert ist, wieder kein anderer Gedanke als der, dass es den Amerikanern nur um Öl und wirtschaftliche Interessen ging, und plötzlich ist man müde. Ist das jetzt Kirche, wo bei Rosenkränzen sooft dasselbe aufgesagt wird, bis es der Verstand nicht mehr aufnimmt? Aber sicher keine Medienkritik.
Es ist schwer nachzuvollziehen nach Michael Moore, warum immer wieder jemand versucht ist, anderen die sowieso schon derselben Meinung sind, diese im Theater oder auf der Leinwand noch mal und noch mal zu sagen. Freilich ist es wichtig, aber vor allem doch verstanden. Zwei Meter weitergedacht zeigt so eine Inszenierung den letzten Krieg als etwas nur in unserer kapitalistisch und pornografisch versauten Gesellschaft Mögliches. Also hieße die einfache Lösung, sich und die eigene Generation so schnell wie möglich zu überleben, danach wird's dann sowieso entweder viel besser oder viel schlechter. Aber das ist doch auch kein Ausweg, vor allem, wo hier doch eigentlich so tolles Theater möglich wäre.

Willibald Spatz
27. Juni 2004

Information

mehr Kritiken