Ja mei, die Räuber halt
Die Räuber im Münchner Volkstheater

Die Räuber sind alt, die Räuber sind bekannt, und sie sind lang. Eigenschaften eines Stückes, die im Auge zu haben hat, wer es auf der Bühne haben will.
Im Münchner Volkstheater: modern. Das Schloss des alten Moors: Schaffellteppich, Keramikschäferhund, der Graf schwachsinnig zu Grammophonmusik wippend, Franz ein schmieriger, junger Erfolgsmensch. Die Bühne dreht sich, die Räuberhöhle ist eine Pinte, Pinup-Weiber an der Wand, in der Spüle Wein und eine Thermoskanne, um den Bierzelttisch Plastikgartenstühle. Die zwei Handlungsräume sind eine Ansammlung unsinniger und liebloser Requisiten, in denen von den Schauspielern verlangt wird, Schillers Räuber zu spielen und in D-Mark zu bezahlen. Wundert es wen, dass der Text in diesem Ambiente zeitlos klingt? Das war’s vorerst mit neuen Erkenntnissen. Dann ist der Karlkumpane Spiegelberg eine Frau: Brigitte Hobmeier. Da sind Berührungen möglich im Männerloch, Sexualität angedeutet. Wieso sollen die angeonanierten Frauen an der Wand nicht mitmachen dürfen?
Und auf der schönen Seite Frederike Schinzler als Amalia in farblich wechselndem Kleid, tief geschlitzt und jedes Mal mit einem englischen Wort auf dem Rücken, so dass es über das Stück verteilt „In the mood for love.“ Man merkt, hier wird viel und schnell assoziiert, irgendwas muss ja dran sein an diesem alten Zeug, dass es den Zuschauer aus seinem warmen Heim lockt, weg von der Lektüre des Originals. Aber da ist nichts, hier nicht im Volkstheater. Das liegt nicht nur an den leeren Ideen, sondern auch am uninspirierten Spiel des Ensembles. Man kann sich nur fragen: Warum regen die sich auf der Bühne auf? Hier ist nichts motiviert. Warum geht der Franz auf das Publikum zu und haut ihm einen Monolog hin, ohne etwas zu sagen zu haben?
Erst zum Schluss, in den bewegenden Momenten mit Hermann, darf er sich glaubhaft gebärden. Auch die Ernüchterung der Bühne an Gegenständen und Licht, als Karl seinen Vater in der Gruft findet, tut gut, lässt Stimmung entstehen. Der Alte, Erich Ludwig, der seinen Sohn nicht mehr erkennt und mit der toten Spiegelberg spricht, packt.
Da ist was schief gelaufen. Der Regisseur Marco Kreuzpaintner hat nach vier Wochen aufgegeben und Christian Stückl übernahm. Die Räuber muss man erzählen wollen, wenn man sie inszenieren will. Sonst sind sie besser daheim zu lesen. Mit Gewinn und Vergnügen. Davon abgesehen: Weh tut das nicht im Volkstheater und langweilig sind die dreieinviertel Stunden auch nicht, aber trotzdem nur dem zu empfehlen, der nicht lesen will.

Willibald Spatz
23. Januar 2004

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