Zwischenwelten
Zwischen Gut und Böse in der Schauburg

Von wegen „Sie lebten glücklich bis an ihr Ende.“ König Konrad hat alles erreicht, wohin ein Hoher im Märchen kommen kann: vier Kinder und drei Frauen. Eine von denen kann nicht packen, dass nicht ihres, sondern das Kind einer anderen der Liebling des Königs ist: Prinz Friedrich. Deshalb muss dieser in die Verbannung, in den Wald und mit ihm seine Frau Ute. In die wiederum verliebt sich der Dämonenkönig Caspar. Er raubt sie auf seine Dämoneninsel. Friedrich und sein bester Kumpel Hanumann rollen rüber mit einem Affenheer aus hundert Millionen einzelnen und entzünden einen Krieg, der die Sache vor Troja aussehen lässt wie eine Sandkastenrangelei.
Das erzählt der Meister, von Sabrina Khalil schön dargestellt, im Speisesaal, der vorher noch die Bühne war, den beiden fetten Kindern an den Enden der Tafel. Und die Kleinen steigen mit ein, und auch die Großen kriegen ihre Funktion: Der Diener wird zum Affenkönig, die Schwester des Meisters zur bösen Königin und der Meister selbst zum Dämonenkönig. Ein rasantes Spiel spult sich da ab, unter dem Perkussionsgewitter der beiden Musiker Yogo Pausch und Max Bauer, die zart erahnbar sind hinter der Holztäfelung aus Gazevorhang und die Rollen der Könige übernehmen.
Weil das Kampfgeschehen bei Tisch stattfindet, ist der Bogen des Kriegsgottes ein Löffel und die Pfeile, die niemals ihr Ziel verfehlen, sind Zahnstocher. So wird dem indischen Mythos, der Suzanne von Lohuizen als Grundlage für ihr Stück dient, der arg unreflektierte Kriegspathos teilweise genommen und die Schlacht zu etwas nur im Virtuellen Erlaubten. Als sie es doch einmal zu wild treiben, kommt sofort der Diener und bittet um mehr Ruhe, die Nachbarn hätten sich beschwert.
Das schöne Ende soll zugleich Neuanfang sein: Das Königspaar bekommt zwei Kinder, denen an der Tafel von den Eltern erzählt wird, deren Rollen sie einnehmen und dann wieder Kinder bekommen, vielleicht fettere. Der inzestuöse Kreis schließt sich immer enger. Das ist ein angenehm bösartiger Seitenarm dieser Münchner Variante des alten Themas.
Peer Boysen inszeniert diese geschickte Geschichte ansprechend zwischen haushoher Komik und augenzwinkernder Tragik. Corinna Beilharz und Klaas Schramm oszillieren umwerfend zwischen ausgelassenen Spielkindern und reifem Prinzenpaar. Lisa Huber und Armin Schlagwein garnieren den Schmaus zwischen Schauerdienstpersonal und Dinner for One-Inventar. Und der Zuschauer fühlt sich gut aufgehoben zwischen der Tollerei vorne auf der Bühne und dem hinten draußen gelassenen
Erwachsensein.

Willibald Spatz
19. April 2004

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